Schlaflos zum Goldjubel
Rennrodel-WM Eggert/Benecken gewinnen drei Titel in Oberhof / Deutsche dominieren
Die deutschen Athleten haben acht von neun Wettbewerben bei den Rodel-Weltmeisterschaften in Oberhof gewonnen. Der Ilsenburger Toni Eggert hat seinen Heimauftritt gleich dreimal vergoldet.

Daniel HübnerOberhof Sascha Benecken hatte sich nicht lange bei der Siegerehrung aufgehalten, die ersten Interviews hielt er so kurz wie möglich. Er wollte so schnell wie möglich zum Ort des Jubels zurückkehren, zu den Fans, die sich „zu dieser unchristlichen Zeit“ aufgemacht hatten, um dem heimischen Doppelsitzer Energie für die neuerliche Titeljagd zu geben. „Da muss man sich einfach bedanken“, sagte der Sozius des Ilsenburger Piloten Toni Eggert am Sonnabend nach ihrem fünften WM-Titel in Serie im olympischen Wettbewerb. Für Benecken habe sich damit auf seiner 945 Meter langen Heimbahn mit 15 Kurven „ein Kindheitstraum erfüllt“.
Das Duo und ihre Teamgefährten schrieben in Oberhof wieder eine Geschichte der deutschen Dominanz. Lediglich Jonas Müller widmete mit dem ersten Titelgewinn seiner Karriere im Einsitzer am Sonntag dieser Geschichte ein österreichisches Kapitel, weshalb Materialguru Georg Hackl, im Sommer 2022 aus dem deutschen ins Team des Nachbarn gewechselt, tatsächlich so etwas wie Genugtuung verspürte. „Jetzt rodeln sie wieder und sie rodeln gut“, erklärte der dreimalige Olympiasieger. Aber längst nicht gut genug.
Nach dem Triumph in allen Sprintrennen am Freitag gewannen tags darauf Jessica Degenhardt/Cheyenne Rosenthal und Eggert/Benecken jeweils im Doppelsitzer, Anna Berreiter holte ebenfalls ihren ersten Karrieretitel beim Dreifachsieg der deutschen Damen im Einsitzer, am Sonntag ließen die Lokalmatadoren noch Staffelgold folgen. Wiederum mit Toni Eggert und Sascha Benecken, die nunmehr elf WM-Titel gesammelt haben.
Von Routine kann dennoch keine Rede sein: „Ich hatte vor dem zweiten Lauf ein komisches Gefühl im Magen, das hatte ich schon lange nicht mehr“, sagte Eggert am Sonnabend lächelnd in der Mixedzone, bevor die Kälte in Oberhof durch seinen Rennanzug drang und den 34-Jährigen erzittern ließ und er in die aufgeheizten Katakomben flüchtete. Eggert: „Es ist für uns nicht selbstverständlich, dass wir hier gewonnen haben. Die Bahn hat es in sich, auch wir hatten einen Wackler drin.“
Diesen Wackler glich er aus, indem er sich in Kurve 13 kurz aufrichtete, um ein Ausbrechen des Schlittens und damit einen Sturz zu verhindern. „Das ist die Erfahrung, die wir über Jahre gesammelt haben“, sagte Eggert. Letztlich waren sie in beiden Wertungsdurchgängen unfassbar viel schneller als die Konkurrenz, setzten sich mit 0,171 Sekunden vor den Bayern Tobias Wendl/Tobias Arlt und mit 0,192 Sekunden vor Yannick Müller und Armin Frauscher (Österreich) durch.
Dabei hatte das Adrenalin Eggerts fehlenden Schlaf ob der nächtlichen Feinarbeit am Schlitten vergessen lassen. „Ich habe da ein sehr kluges Gerät, das hat mir angezeigt, dass ich nur 38 Prozent der üblichen Erholung hatte“, berichtete Eggert über den Schlafentzug.
Aber Eggert ist nicht nur schlaflos zum Jubel gerauscht mit Benecken. Im Grunde genommen haben sie sich dafür belohnt, sich nach langem Hadern im Sommer 2022 letztlich für die Fortsetzung ihrer Karriere entschieden zu haben. „Das war eine krasse Geschichte“, erzählte Benecken über diese Zeit. Erst kam die Schlittenbau-Reform des Weltverbandes, nach der Eggert und Benecken ein völlig neues Gerät entwickeln mussten – „im Expresstempo“, blickte der Sozius zurück. Mit Unterstützung des Institutes für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) bauten sie an einem neuen Schlitten. Und dies so erfolgreich, dass sie nun zwei Weltcupsiege und zwei Weltmeistertitel in dieser Saison zählen. Noch vier Rennen stehen in diesem Winter aus. Eggert: „Wir haben die Chance auf den Sieg im Gesamtweltcup, das wird eine ganz enger Kampf.“ Das Duo belegt im Klassement Platz zwei hinter Wendl/Arlt.
Und ihr Weg ist auch nach dieser Serie nicht zu Ende. Schon vor der WM hatte Eggert betont: „Unser größter sportlicher Anreiz ist, dass wir noch kein Olympiagold haben.“ Ein Kindheitstraum, den sie sich beide erfüllen wollen. Die Winterspiele 2026 im italienischen Cortina D’Ampezzo haben sie also fest im Blick.